3D-Häuser: Zukunft des Bauens

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Lisa Ernst · 10.11.2025 · Technik · 8 min

Der 3D-Druck im Bauwesen hat sich von einem technischen Experiment zu einer realen Bauoption entwickelt. Weltweit entstehen Einfamilienhäuser, ganze Siedlungen und Spezialbauten. Dieser Artikel beleuchtet die technischen Prozesse, bestehende Projekte, Chancen und Grenzen dieser Bauweise, basierend auf aktuellen Studien und Berichten.

Grundlagen des 3D-Drucks im Bauwesen

Beim Bauen mit dem 3D-Drucker extrudiert eine Maschine Schicht für Schicht einen Baustoff, meist eine Art Beton, und stapelt so Wände. Dies wird oft als „3D Concrete Printing“ oder „3D-Betondruck“ bezeichnet, ein additives, schichtweises Bauverfahren für tragende Bauteile (3druck.com, ScienceDirect).

Die Drucker sind in der Regel Portalsysteme oder Roboterarme, die sich auf Schienen über der Bodenplatte bewegen und den Betonstrang entlang der geplanten Wandgeometrie ablegen (PERI 3D Construction, COBOD). Gedruckt werden vor allem Außen- und Innenwände, teilweise in Hohlkammerbauweise, die später mit Dämmung oder weiteren Materialien gefüllt werden können (COBOD, 3druck.com).

Der Drucker erstellt nicht das komplette Haus. Fundamente, Decken, Dächer, Fenster, Türen, Haustechnik und Innenausbau werden weiterhin mit klassischen Gewerken umgesetzt (EcoHome, ECS Limited). Der 3D-Druck ersetzt primär das Mauern oder Schalungsarbeiten für Wände, nicht den gesamten Bauprozess (UBE).

Es gibt auch Varianten, bei denen nicht Beton, sondern lokal verfügbare Erde oder Ton gedruckt werden. Ein Beispiel ist das italienische Tecla-Haus, das aus einer Mischung aus Erde, Wasser und Pflanzenfasern gefertigt wurde (Wikipedia). Solche Experimente sollen zeigen, wie Ressourcen und graue Energie durch die Nutzung von Material vor Ort eingespart werden können (Wikipedia).

Der 3D-Drucker schichtet Material präzise auf, um komplexe Gebäudestrukturen zu errichten.

Quelle: 3d-grenzenlos.de

Der 3D-Drucker schichtet Material präzise auf, um komplexe Gebäudestrukturen zu errichten.

Aktueller Stand und Projekte

Eine globale Auswertung des Herstellers COBOD ergab, dass Ende 2022 bereits 129 Gebäude mit 3D-Druck erstellt wurden, verteilt über 105 Baustellen weltweit (COBOD, 3druck.com). Diese Zahlen zeigen, dass es sich nicht mehr nur um einzelne Pilotprojekte handelt (Manufactur3D Mag).

In Deutschland wurde das erste genehmigte Wohnhaus aus dem Drucker in Beckum (Nordrhein-Westfalen) gebaut. Es handelt sich um ein zweigeschossiges Einfamilienhaus, realisiert mit einem BOD2-Betondrucker von COBOD und PERI (PERI, COBOD). Das Projekt wurde im Rahmen eines Förderprogramms für „innovatives Bauen“ unterstützt (PERI).

In Heidelberg entstand 2023 das Wavehouse, ein 54 Meter langes, etwa 11 Meter breites und 9 Meter hohes Gebäude, das als IT-Rechenzentrum genutzt wird und als größtes 3D-gedrucktes Gebäude Europas gilt (PERI 3D Construction, Heidelberg Materials). Die wellenförmigen Fassaden wurden in rund 170 Stunden reiner Druckzeit gedruckt (PERI 3D Construction). Heidelberg Materials entwickelte dafür spezielle Betone (Heidelberg Materials).

Ein weiteres Projekt in Heidelberg ist das DREIHAUS, ein dreigeschossiges Mehrfamilienhauskonzept, bei dem die Wände seriell im 3D-Betondruck gefertigt werden (PERI). PERI erwartet eine Verkürzung der Bauzeit um etwa 30 Prozent und eine Kostensenkung um etwa 10 Prozent im Vergleich zu konventionellen Bauten (PERI, Ingenieur.de). Die Rohbauphasen für ein Wohnhaus in Heidelberg wurden in rund 33 Tagen abgeschlossen (CIO.de).

International entstehen ganze Viertel mit 3D-gedruckten Erdgeschossen. In Georgetown, Texas, baut ICON zusammen mit Lennar eine Siedlung mit rund 100 Häusern, deren Außenwände der Erdgeschosse mit einem Großformatdrucker erstellt werden (Reuters, ICON). In Houston entsteht Zuri Gardens mit 80 gedruckten Häusern für Haushalte mit mittlerem Einkommen (Houston Chronicle).

ICON realisiert auch kleinere Projekte für bezahlbaren Wohnraum, wie Einzimmerhäuser in Austin (Statesman, Axios). Gleichzeitig entstehen höherpreisige Objekte, wie ein Luxusresort mit 3D-gedruckten Villen am Lake Travis in Texas (MySanAntonio).

Ungewöhnliche Nutzungen sind ebenfalls dokumentiert: In Brownsville, Texas, entsteht ein Café für eine große Kette, dessen Hülle aus dem 3D-Betondrucker stammt (Chron.com). Universitäten experimentieren mit biobasierten Materialmischungen aus Holzresten, die Häuser mit negativem CO2-Fußabdruck ermöglichen sollen (Reasons to be Cheerful).

Analyse und Motivationen

Ein zentrales Motiv ist der weltweite Bedarf an zusätzlichem Wohnraum bei knappen Ressourcen. Der Gebäudesektor ist für rund ein Drittel der energiebedingten CO2-Emissionen verantwortlich (Wikipedia). Organisationen wie New Story arbeiten mit Technologieunternehmen wie ICON zusammen, um in Ländern wie Mexiko kleine Siedlungen zu errichten, die armen Familien dauerhaftes Wohnen ermöglichen sollen (New Story, The New Yorker).

Hersteller und Planer versprechen sich vom Betondruck mehr Geschwindigkeit und geringere Personalkosten. COBOD verweist darauf, dass 3D-Druck die Fehleranfälligkeit verringern und den Bauprozess effizienter machen kann (COBOD). PERI beschreibt seine Drucklösung als Möglichkeit, Rohbauten mit weniger Material und weniger manueller Arbeit zu erstellen, insbesondere bei wiederkehrenden Grundrissen (PERI 3D Construction). Additive Bauverfahren spielen ihre Stärken vor allem bei standardisierten Einfamilienhäusern und kleinen Mehrfamilienhäusern aus (3druck.com, Weerg).

Ein weiterer Treiber ist die Suche nach nachhaltigeren Materialien. Das Tecla-Haus in Italien zeigt, wie Erde, Wasser und pflanzliche Fasern zu einem wohnbaren Gebäude verarbeitet werden können, das weitgehend aus lokalem Material besteht (Wikipedia). In Maine werden faserverstärkte Biokomposite aus Holzabfällen und Bindemitteln zu Häusern gedruckt, die langfristig wieder recycelt werden sollen (Reasons to be Cheerful). Solche Konzepte sollen Abfall reduzieren, Transportwege verkürzen und CO2 binden (Wins Solutions).

Der Marketing- und Medienwert ist nicht zu unterschätzen. Spektakuläre Bilder von Druckrobotern sind ideale Motive für Presse und soziale Medien (PERI 3D Construction, 3druck.com). Fernsehsendungen verstärken den Eindruck einer nahen Bau-Revolution (CBS News). Kritischere Artikel weisen jedoch auf große Unterschiede zwischen Pilotprojekten und flächendeckender Anwendung hin (The New Yorker, Dwell).

Quelle: YouTube

Der Clip zeigt, wie Unternehmen die Technologie als Lösung für Wohnungsnot und sogar für Mondbasen inszenieren – und macht gleichzeitig deutlich, wie experimentell vieles noch ist.

Hybridbauweisen, die 3D-Druck mit traditionellen Methoden kombinieren, sind ein vielversprechender Trend im modernen Hausbau.

Quelle: 3druck.com

Hybridbauweisen, die 3D-Druck mit traditionellen Methoden kombinieren, sind ein vielversprechender Trend im modernen Hausbau.

Fakten und offene Fragen

Belegt ist, dass sich Häuser mit Hilfe von 3D-Druck real bauen und regulär genehmigen lassen. Beispiele sind das Einfamilienhaus in Beckum (PERI) und das Rechenzentrum Wavehouse in Heidelberg (PERI 3D Construction, Heidelberg Materials). Auch die Siedlungsprojekte in Texas sind reale Wohnhäuser, die verkauft und bewohnt werden (Reuters, ICON Homes).

Gut belegt ist auch, dass additive Bauverfahren Materialabfall reduzieren können, da nur die benötigte Menge Beton extrudiert wird und Schalungen weitgehend entfallen (Wins Solutions, Ricoh). Studien beschreiben Vorteile bei komplexen Geometrien, da organische Formen oder freie Wandverläufe ohne teure Spezialschalungen umsetzbar sind (ScienceDirect, Structures Insider).

Unklar ist, wie groß die tatsächlichen Kosten- und Zeitvorteile im breiten Einsatz sind. Hersteller sprechen von Einsparungen zwischen 10 und 35 Prozent (COBOD, Weerg, TRERC). Wirtschaftliche Analysen weisen jedoch darauf hin, dass Anschaffung oder Miete der Drucker, Schulung der Teams und Anpassung der Planung die Einsparungen teilweise wieder auffressen können. Belastbare Vergleichsdaten über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes fehlen noch (Warrington UF, Reason.org).

Ebenfalls unklar ist die langfristige Dauerhaftigkeit der gedruckten Wände. Langzeitstudien über Jahrzehnte existieren naturgemäß noch nicht (ScienceDirect, HUDUser). Fachautoren betonen, dass Themen wie Rissbildung, Feuchteverhalten und Reparaturkonzepte weiter untersucht werden müssen (Passive House Accelerator, Structures Insider).

Falsch oder irreführend sind Versprechen, ein komplettes Haus lasse sich „in 24 Stunden für ein paar Tausend Euro“ erstellen. Die oft zitierte Druckzeit bezieht sich nur auf die Wände, nicht auf Fundament, Dach, Innenausbau, Installationen oder Genehmigungs- und Planungsphasen (EcoHome, ECS Limited). Kritische Analysen zeigen, dass solche Schlagzeilen die tatsächliche Komplexität des Bauprozesses ausblenden (Dwell, Hackaday, Passive House Accelerator).

Ein Beispiel für moderne Architektur, die durch innovative Bauweisen wie den 3D-Druck realisiert werden könnte.

Quelle: user-added

Ein Beispiel für moderne Architektur, die durch innovative Bauweisen wie den 3D-Druck realisiert werden könnte.

Praktische Implikationen

3D-gedruckte Gebäude sind reale Optionen, aber noch nicht flächendeckend verfügbar. Wer ein solches Haus bauen oder beziehen möchte, sollte Anbieter, Genehmigungslage und Erfahrungswerte vor Ort genau prüfen (EcoHome, ECS Limited).

Drei Fragen sind dabei entscheidend: Erstens, welche Teile des Hauses tatsächlich gedruckt werden und welche Gewerke klassisch umgesetzt werden (UBE). Zweitens, wie transparent die Kostenaufstellung über den gesamten Bau, inklusive Planung, Technik und Wartung, ist (TRERC, Reason.org). Drittens, ob es Referenzprojekte desselben Anbieters gibt, die über mehrere Jahre in ähnlichem Klima in Betrieb sind (Passive House Accelerator).

Für Nachhaltigkeitsinteressierte ist die Materialwahl relevant. Projekte mit erd- oder tonbasierten Mischungen oder biobasierten Kompositen versuchen, den CO2-Fußabdruck drastisch zu senken. Klassische Betondruck-Projekte reduzieren zwar Materialabfall, sind aber weiterhin zementbasiert (Wikipedia, Reasons to be Cheerful, Wins Solutions). Da der Bausektor weltweit einen erheblichen Anteil an Energie-Emissionen hat, können echte Verbesserungen hier große Effekte haben (Wikipedia).

Bei Medienberichten ist es hilfreich, die Interessen des Sprechers zu berücksichtigen. Ein Unternehmensvideo wird Vorteile betonen, während unabhängige Untersuchungen und wissenschaftliche Reviews eher Unsicherheiten und offene Punkte ansprechen (ScienceDirect, ResearchGate).

Quelle: YouTube

Der Zeitraffer eines großen Wohngebäudes aus dem Drucker zeigt die Technik – und macht gleichzeitig sichtbar, wie viele klassische Bauarbeiten neben dem Drucker weiterhin notwendig sind.

Obwohl viele Wände gedruckt wurden, bleiben wesentliche Fragen offen. Die langfristige Haltbarkeit über Jahrzehnte ist bisher kaum empirisch belegt, da die meisten Projekte erst wenige Jahre alt sind (ScienceDirect). Systematische Literaturübersichten betonen, dass Daten zu Dauerhaftigkeit, Instandhaltung und Gesamtlebenskosten noch lückenhaft sind (ResearchGate).

Unklar ist auch, wie schnell sich Baurecht und Normen anpassen. Eine Analyse im Auftrag der US-Wohnungsbehörde HUD nennt fehlende Standards, unklare Richtlinien und mangelnde Erfahrung in Behörden als zentrale Hürden für eine breitere Einführung (HUDUser). Ähnliche Hinweise finden sich in Bewertungen aus Europa und Nordamerika (EcoHome, ECS Limited).

Eine weitere offene Frage betrifft die soziale Dimension: Werden 3D-gedruckte Wohnungen tatsächlich dort gebaut, wo Menschen mit geringem Einkommen sie brauchen, oder eher als Leuchtturmprojekte in attraktiven Märkten (The New Yorker, Reason.org)? Analysen warnen davor, die Technologie als alleinige Antwort auf Wohnungsnot zu betrachten, solange Landpreise, Finanzierung, Infrastruktur und lokale Politik nicht mitgedacht werden (AIU, Dwell).

3D-gedruckte Häuser zeigen, wie stark sich das Bauen verändern kann. Es gibt reale Wohnhäuser, ganze Quartiere und komplexe Spezialbauten, die beweisen, dass die Technik in der Praxis funktionieren kann (PERI 3D Construction, PERI, Reuters). Gleichzeitig ist klar: Die Bauweise löst weder über Nacht die Wohnungsnot, noch ersetzt sie klassische Gewerke oder sorgfältige Stadtplanung (ScienceDirect, Reason.org).

Es lohnt sich, die Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen, neugierig Fragen zu stellen und Behauptungen mit Quellen abzugleichen – besonders bei spektakulären Versprechen zu Bauzeit, Kosten und Nachhaltigkeit. So können die Chancen dieser neuen Bauweise genutzt werden, ohne den Boden unter den Füßen zu verlieren.

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